10-19-2009, 12:04 PM
Mr. Brekle has been following our discussion and asked me to present his views to the readers here. This is what he has to say on the main points raised here. His discussion is, particularly for non-native speakers of German, a bit technical, but immensely fruitful for understanding what movable type is essentially about. Generally, I feel vindicated that the raised lead reliefs comply to the definition of typography. Technical differences to the Gutenberg mode of movable type printing, such as the lack of a printing press or paper as medium, or the undoubtedly limited impact of the Roman impressing technique are unessential to this. If particular questions arise, i am happy to translate the relevant parts.
Quote:Jona Lenderings Bewertung ist ausschließlich erfolgsorientiert und für einen Historiker zu eng gefaßt. Wichtig ist, daß die Römer das
Typographische Prinzip erkannt hatten: Herstellung von Patrizen, die in Sand gedrückt wurden, um so Matrizen zu erhalten, die beim Ausgießen
der Sandfläche Hochreliefbuchstaben auf einer Bleiplatte ergaben. Mutatis mutandis ist dies Gutenbergs Verfahren (Patrizen aus Stahl,
eingeschlagen auf Kupferplättchen (= Matrizen), Ausgießen derselben ergeben Lettern, mit denen (in einem Satzblock) gedruckt werden konnte.
Die letzte Stufe des Prozesses - Letternherstellung - entfiel natürlich bei röm. Inschriften auf Bleirohren. Dies ist auch eine Antwort auf D. B. Campbell und für Ihre Antwort an Lendering.
Quote:Zur Phaistos-Scheibe: gewiß wurden die "Lettern" einzeln, von innen nach außen nacheinander eingedrückt, es gab keinen spiralförmigen Satzblock mit dem er ganze Text auf einmal hätte gedruckt werden können. Das entscheidende Kriterium ist: mit beweglichen einzelnen, immer wieder verwendbaren Lettern entweder direkt zu drucken oder über die Stufe der Matrizenherstellung (verlorene Sandform oder dauerhafte Matrizen) eine Inschrift zu erzeugen. Wie Sie wissen, wurde das erste Verfahren - mit aus Holz geschnitzten Lettern - 1119 im Kloster Prüfening bei Regensburg praktiziert.
Quote:Dudicus hat insoweit recht, als es sich bei den Rohrinschriften um Buchstabengußformen gehandelt haben muß. Eine Druckerpresse ist keine
notwendige Bedingung, um von Typographie sprechen zu können (vgl. sog. Bürstenabzüge", die in den 60er Jahren noch üblich waren). Außerdem
mußte das zu bedruckende Material nicht Papier sein, es kann auch eine weiche Tonplatte oder eine Holzoberfläche sein (hierfür braucht es dann
allerdings eines glühenden Stempels).
Quote:Sean Manning: eine historisch nachweisbare Verbindung zu späteren ostasiatischen Setzern und Druckern (ca. 11. Jh. oder früher) oder zu
Gutenberg braucht überhaupt nicht zu bestehen. Drucken mit Farbe ist ebenfalls keine notwendige Bedingung für einen typographischen Prozess
(Blinddruck, Blindprägung!).
Quote:Stefans Antwort vom 6.10. deckt sich mit meinen Ausführungen. Übrigens ist bei unseren Überlegungen auch die aus der Antike bruchlos überlieferte Technik des Steinschneidens (Gemmen) zu berücksichtigen, auch die Herstellung von Siegeln (Rollsiegel schon im -2. Jahrtausend).
Quote:Campbell 6.10.: CIL XV, 7285 sieht ziemlich regelmäßig aus, die Buchstabenbilder halten gut Linie. Ich halte es - schon aus
arbeitsökonomischen Gründen - für einen nicht mit einem Ganztextstempel hergestellten Abdruck. Der Stempel müßte ja ein seitenverkehrtes
Tiefrelief gehabt haben, das paßt mit der Höhe des Hochreliefs auf der Bleiröhre nicht zusammen. Das Kriterium der Typidentität einzelner
Buchstabenbilder wäre genauer zu untersuchen. Wäre es erfüllt, spräche es klar für die Verwendung von Einzellettern. Die Inspektion von
Originalen müßte weiterführen.
Quote:Epictetus 8.10.: Das Cicerozitat gefällt mir, es zeigt zumindest die spekulative Existenz von Lettern, ihre Idee.
Quote:Campbell 9.10: 1. Abs. o.k., 2. dto., 3. Abs. da erhebt sich die Frage, wie dick die Bleiplatten waren (ca. 2,5 cm). Materialtechnisch ist es unmöglich, einen Ganztextstempel oder einzelne Lettern von hinten durch die Bleiplatten durchzudrücken; auf der Oberseite erschienen höchstens
einige unstrukturierte Erhebungen. Wendete man des Verfahren der Münzprägung an, müßte auf der Rückseite der Bleiplatte eine Matrize mit
dem genauen Bild des Textes des Stempels angebracht sein, in deren Vertiefungen die hochstehenden Buchstabenbilder eingepreßt würden. Hier
würden jedoch beträchtliche Genauigkeitsprobleme bei der Justierung der Matrize und des Stempels (Passung) auftreten. So ging's historisch-
faktisch sicher nicht!
Quote:Stefans Ausführungen vom 11.10.: Dem letzten Satz kann ich nicht zustimmen. Es waren einzelne Lettern, also beweglich. 1119 fiel der Prozeß des Setzens und Druckens in einem Prozeß zusammen.
Stefan (Literary references to the discussed topics are always appreciated.)